Sehr geehrte Frau Monika Piel,
ich wende mich persönlich an Sie, da ich davon ausgehe, dass Sie mir als Intendantin der aktuell geschäftsführenden ARD-Anstalt unproblematisch weiterhelfen können.
Am 28.12.2011 strahlte die ARD die Reportage "Heimlich in Homs" aus. Dieser Beitrag war eine Sendung des SWR. Die Dokumentation erweckte den Anschein die aktuellen Geschehnisse in Syrien aus "objektiver Berichterstatter-Sicht" darzustellen. Endlich, so schien es, war es unabhängigen Reportern möglich einen Beitrag aus der Protesthochburg Homs zu präsentieren. Diesmal war sogar der Berichterstatter ein ARD-Journalist, der aus Sicherheitsgründen unerkannt bleiben musste. Ich verfolgte sehr interessiert den Beitrag. Zu meinem Erstaunen zeigte die Dokumentation verschiedene Sachverhalte, die mich als Zuschauer sehr verwunderten. Vor allem weil einige Aspekte in der Reportage offensichtlich widersprüchlich für mich erschienen. Als öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt wissen Sie ja erst Recht, dass die ARD laut Ihrer Präambel eine unverzichtbare gesellschaftliche Funktion erfüllt. Mit den selbstaufgelegten Qualitätsstandards trägt sie ja wesentlich zur freien öffentlichen Meinungsbildung zu allen relevanten politischen, wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und kulturellen Themen der Zeit bei.
Der Aspekt der öffentlichen Meinungsbildung ist sehr interessant. Vor allem wer in welchem Kontext dazu beiträgt diese zu formen. Nehmen wir das Beispiel eines Lehrbuchs für die Schule und den damit enthaltenen Inhalten. Je nach Gesellschaftssystem kann der gleiche Inhalts-Aspekt völlig unterschiedlich ausgelegt werden. Jede Gesellschaftsform (z.B. Kaiserreich, Weimarer Republik, Nationalsozialismus, BRD, DDR oder vereintes Deutschland) wird von sich behaupten in seiner Darstellung "korrekt" und "wahr" zu sein. Die jeweils offiziell legitimierte politische, gesellschaftliche Machtstruktur, die ausgewählten Autoren des Schulbuches und die Lehrkräfte die den Inhalt unterrichten tragen dazu bei, dass der Lehrende den Inhalt im Idealfall zu seiner Meinung machen soll. Wenn man ein kleines Kind ist kann man häufig noch nicht einschätzen was diese Meinungsbildung bedeutet. Umso reifer man wird, umso mehr kann die Erkenntnis erwachsen, dass jede Art von Information auch eine Absicht enthält. Diese Absicht kann dann hinterfragt werden. So nach dem Motto, wer legt eigentlich den Inhalt und die Darstellung fest, wer sind die Quellen des Inhalts, durch wen werden die Quellen gestützt, welche alternativen Inhalte und Quellen gibt es zu diesem Aspekt und warum werden diese in der Öffentlichkeit nicht erwähnt usw.
Wenn also ein Journalist in einer Reportage Behauptungen ohne Beweis aufstellt und gleichzeitig widersprüchliche Sachverhalte präsentiert, so kann dies alles so sein. Schließlich gibt es die Meinungsfreiheit. Der Autor muss nur auch davon ausgehen, dass interessierte Zuschauer mit Hintergrundinformationen zu dieser Thematik diese Sachverhalte hinterfragen, um die Art der Darstellung besser zu verstehen. Deshalb kontaktiere ich nicht die Zuschauerredaktion sondern die verantwortlichen Redakteure des Beitrags. Für diese ist es ohne Probleme möglich, zu den aufgeworfenen Fragestellungen klärende Antworten darzulegen. Genau das ist mein Anliegen. Es geht nicht um „richtig“ oder „falsch“, sondern nur darum, weshalb bestimmte Dinge so dargestellt wurden. Ich denke, dass ist auch für Sie nachvollziehbar.
Das westliche Werte-Verständnis der Demokratie, ordnet die öffentlichen Medien der so genannten vierten Gewalt zu. So soll ja gewährleistet werden, dass es eine gerechte Verteilung der Staatsgewalt auf mehrere Staatsorgane zum Zwecke der Machtbegrenzung und der Sicherung von Freiheit und Gleichheit gibt. Aus dieser Perspektive heraus ist natürlich die ARD dieser vierten Gewalt zuzuordnen. Erstaunlich ist, dass diese Instanz zum größten Teil durch die Gebührenpflicht aller Rundfunkteilnehmer, die ein Rundfunkgerät zum Empfang bereit halten, finanziert wird. Egal wie man zu diesem Aspekt steht, so stellt sich doch die Frage, wenn ein Volk gesetzlich verpflichtet wird eine Gebühr an eine Rundfunkanstalt zu entrichten, dann kann doch auch ein Mensch des Volkes verlangen Antworten auf alle seine Fragen zu erhalten die er der Rundfunkanstalt im Bezug auf eine gesendete Reportage gestellt hat.
Da es für mich viele inhaltliche Fragen zur Reportage gab (und noch heute gibt), habe ich am 17.02.2012 an Ihre Mitarbeiter Stefan Buchen (NDR), Stefan Niemann (NDR), Peter Puhlmann (SWR) und Julia Sieger (Cutterin, deren Anstaltszugehörigkeit ich nicht kennen) eine ausführliche E-Mail geschrieben, mit Bitte um eine ausführliche Antwort. Den Mailinhalt und das dazugehörige Fragen-Material können Sie über diesen Blog abrufen: http://heimlich-in-homs.blogspot.com/
Leider habe ich bis heute noch keine Reaktion auf meine Fragen erhalten. Da ich die Bestätigung habe, dass der Mailinhalt schon 5 Stunden später bei mindestens einem Redakteur abgerufen wurde, bin ich etwas verwundert warum ich noch nicht einmal eine kurze Zwischeninfo bekommen habe. Zum Beispiel, dass die Beantwortung vielleicht noch ein Moment dauert. Wie soll ich das bewerten? Bekomme ich darauf keine Antworten? Sind die Redakteure zu beschäftigt? Werden bei umfangreicheren Sachverhalten keine Antworten auf Zuschaueranfragen durch die Redakteure gegeben? Im Moment stößt diese Art der Nicht-Reaktion bei mir auf völliges Unverständnis.
Da ich davon ausgehe, dass Sie mir als verantwortliche Intendantin weiterhelfen können, würde ich Sie Bitten, dass Sie mindestens einen Redakteur der Reportage mit der Beantwortung aller meiner Fragen beauftragen. Sollte bei bestimmten Fragen aus sicherheitsbedenklicher Sicht eine Beantwortung nicht möglich sein, dann sollte dies einfach nur kurz erläutert werden. Das wäre völlig ausreichend. Auch wenn die Beantwortung der vielen Fragen etwas Zeit braucht habe ich dafür Verständnis.
So wie Sie die ARD ihr Fernsehprogramm veröffentlicht, werde ich auch Ihre Antworten, Klarstellungen, Hinweise und Anmerkungen veröffentlichen, um auch anderen interessierten Menschen an dieser Thematik den Zugang zu diesen Hintergrundinformationen zu ermöglichen.
Vielen Dank vorab für Ihre Unterstützung – Olaf Kretschmann
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